Der Brunnenschultheiß nimmt innerhalb des Sachsenhäuser Brunnenfestes eine besondere Rolle ein; zusammen mit der Brunnenkönigin ist er "der" Repräsentant Sachsenhäuser Tradition. Während das Amt der Brunnenkönigin, die aufgrund ihrer Weiblichkeit mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, erst seit 1958 existiert, hat der Brunnenschultheiß einen historischen Hintergrund.
In früheren Zeiten hatten die überall in der Stadt verstreuten Brunnen die Aufgabe, die Frankfurter Bevölkerung mit Trinkwasser zu versorgen. Der Reinheit des Wassers kam dabei eine besondere Bedeutung zu: unreines Wasser trug zur Verbreitung von Epidemien und Seuchen bei. Pest, Cholera und andere Krankheiten waren im frühen Mittelalter keine Unbekannten und der Sauberhaltung der Trinkwasserbrunnen wurde deshalb besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Für die Überwachung der Sauberkeit war der Rat der Stadt zuständig, der sich die Kosten dieser Aufgabe durch die Einführung einer besonderen Steuer – dem Brunnengeld – von den Bürgern bezahlen ließ. Die Sachsenhäuser Bevölkerung bestand überwiegend aus Handwerkern, Bauern und Fischern und war nicht übermäßig mit Reichtümern gesegnet. Deshalb wurde hier kein Brunnengeld gezahlt. Die Sachsenhäuser reinigten ihre Brunnen in eigener Regie und wählten zur Erledigung dieser Arbeiten einen Brunnenmeister, der die Reinheit der Brunnen jährlich prüfte. Dies geschah durch das "Einfahren" über eine Rolle in den Brunnenschacht. Auf dem Grunde des Brunnens wurde dann Geröll und Unrat mittels Eimer aus dem Brunnen entfernt und das Wasser mit einem Salzzusatz wieder geklärt, von daher kommt auch der Ausdruck "Brunnenfahrt". In einigen Bereichen wurde zudem ein "Ehrenbrunnenschultheiß" auf Lebenszeit gewählt, meist eine Persönlichkeit, die sich um die Reinhaltung der Brunnen besonders verdient gemacht hat.
Der Brunnenschultheiß war eine im Stadtteil allseits geachtete Persönlichkeit und übte dieses Amt im 19. Jahrhundert oft neben seiner Funktion als "Quartier- oder Bürgerkapitän" aus.
Mit dem Aufleben des Brunnenfestes im Jahre 1953 erinnerte man sich dieser historischen Persönlichkeit und schuf die Position innerhalb des Vorstandes der Kerbegesellschaft neu; heute ist der Brunnenschultheiß Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der Brunnen- und Kerbegesellschaft Sachsenhausen und wird von der Mitgliederversammlung auf die Dauer von zwei Jahren gewählt.
Er führt während des Sachsenhäuser Brunnenfestes die Brunnenfahrt durch und "weiht" die angefahrenen Brunnen mit Ebbelwei oder Bier und dankt dabei dem Wasser als Lebensquell.
In der über 50jährigen Geschichte der Brunnen- und Kerbegesellschaft Sachsenhausen 1953 e.V. konnte der Verein mit tatkräftiger Unterstützung der Stadt Frankfurt und zahlreicher Sponsoren anläßlich seiner Brunnenfeste die nachfolgend genannten Brunnen restauriert der Sachsenhäuser Bevölkerung übergeben:
1953 | Hirschbrunnen, Paradiesbrunnen, Dreikönigsbrunnen und Hintergaßbrunnen wurden neu geweiht |
1954 | Hirschbrunnen restauriert |
1955 | Hintergaßbrunnen (Klappergaßbrunnen) restauriert |
1956 | Paradiesbrunnen restauriert |
1957 | Dreikönigsbrunnen restauriert |
1958 | Affenbrunnen neu erstellt und geweiht |
1959 | Artischockenbrunnen (Klapperbrunnen) neu erstellt und geweiht |
1960 | Bäckerbrunnen neu erstellt und geweiht |
1961 | Frau-Rauscher-Brunnen neu erstellt und geweiht |
1962 | Hirschbrunnen neu erstellt und geweiht |
1963 | Der nach einem Unfall zerstörte Paradiesbrunnen wurde neu erstellt und geweiht |
1964 | Ritterbrunnen neu erstellt und geweiht |
1966 | Hintergaßbrunnen auf neuem Stadtplatz geweiht |
1968 | Fleischerbrunnen auf neuem Stadtplatz geweiht |
1971 | Zunftbrunnen neu erstellt und geweiht |
1974 | Riedhofbrunnen neu erstellt und geweiht |
1976 | Carolusbrunnen neu erstellt und geweiht |
1986 | Quirinsbrunnen neu erstellt und geweiht |
1989 | Gert- und Gisela- Kayser Brunnen erstellt und geweiht |
1990 | Sachsehäuser Lustbrünnche neu erstellt und geweiht |
2007 | St.-Georg-Brunnen neu erstellt und geweiht |
Die Neuerstellung oder Restaurierung vieler Brunnen verdanken wir dem in Sachsenhausen ansässigen Bildhauer Georg Krämer, dem ob seiner Kreativität und Originalität der Ehrenname "Brunnendoktor" verliehen wurde.
Der Vorsitzende der Frankfurter Künstlerschaft vollbrachte bei der Restaurierung alter und beschädigter Brunnen wahre Wunder und bewies sein Können auch bei der Neuschaffung von Fraa Rauscher- und Ritterbrunnen.
Die Brunnenfahrten und die Weihung der Brunnen wurden von den jeweils amtierenden Brunnenschultheißen vorgenommen:
1953 – 1958 | Theo Elsässer |
1958 – 1967 | Otto Porzelt |
1967 – 1983 | Hans Weiß |
1983 – 1994 | Hans-Otto Porzelt |
1994 – 1995 | Götz Elsässer |
1995 – 1998 | Hans Lankes |
1998 – 2000 | Ralf Schenck |
2000 – 2007 | Walter Blohm |
2008 – 2011 | Frank Wimmer |
2012- 2014 | Hans Lankes |
2014 – 2015 | Frank Wimmer |
2015- 2017 | Hans-Otto Porzelt u. Dr.Erhard Römer |
2018 - | Dieter Breidt |